Liebe Sofonisba,
deine Gedanken kann ich gut verstehen und kann schon beinahe dieselben Fragen stellen.
Eine ähnliche Erfahrung machte ich im vergangenen Sommer in ebelshausen. Dort waren wir
an dem Wasserfall. Dank meiner Höhenangst hatte ich mich beim ersten Treffen damals nicht
hinauf getraut. Nun ging es wenigstens ein Stückchen weit. Als es darum ging, herunter zu gelangen,
sagte ebel zu mir, daß es am besten sei, wenn ich meine Schuhe ausziehen würde. Das tat ich und
stand. Fühlte. Den Fels unter mir. Es dauerte eine kleine Weile, ehe ich begriff - dieser Fels trägt mich.
Bietet mir seinen Halt an, damit ich sicher wieder hinab komme. Das war ein so intensives Gefühl,
daß ich mich am liebsten gar nicht davon lösen wollte. Aber es ist mir immerhin gut in Erinnerung
geblieben, so daß ich es jederzeit abrufen kann. Ich meine, das Gestein wäre Dolomit mit Mangan
gewesen. Ebel kann da gerne korrigieren, falls nicht.
Mit einem Male begriff ich auch, warum die Bayern so heimatverbunden sind. Dieses Gefühl des Haltes,
der Geborgenheit, Verbundenheit mit allem was da ist - es ist enorm.
Ganz anders dazu hier oben im Pott. Unsere Städte sind halbwegs unterhöhlt. Durch Kohleabbau,
durch U-Bahnen. Wir leben unter anderem auf fossilem Gestein, was aber weitgehendst abgetragen wurde.
Wo ist da der Halt, den wir so dringend benötigen? Alles ist instabil, droht einzubrechen. Ab und an
passiert das. Und gerade in den vergangenen Jahren wohl häufiger. Dann bricht plötzlich ein Stück
Autobahn ein, oder der Garten ist "weg" (wenn man Glück hat und es nicht das Haus ist).
Das fossile Gestein wird verheizt. So fühle ich mich hier oben. Ausgebrannt und verheizt. Für vermeintliche
Wärme, die aber eben nicht aus dem Inneren kommt.
Ich finde deine "lauten Gedanken" toll und bereichernd. Und nun hoffe ich, daß uns unsere anderen "Standorte"
hier noch aus ihrem Erfahrungsschatz berichten.
